Die Geschichte der kleinen Haselmaus
Es war einmal in einem fernen Königreich eine wunderschöne Prinzessin mit hellbraunem Haar und den schönsten haselnuss-braunen Augen, die das Land je gesehen hatte. Ihr Lächeln war so strahlend wie die Sonne, und ihr Herz so rein wie der klarste Bergsee. Ihr größtes Vergnügen war es im Wald spazieren zu gehen, die frische Luft zu genießen und dem fröhlichen Gezwitscher der Vögel zu lauschen.
Doch eines Tages, als die Prinzessin durch den königlichen Wald spazierte, begegnete sie einer bösen Hexe, die von Neid und Bosheit erfüllt war. Die Hexe, die ihre Schönheit nicht ertragen konnte, verfluchte die Prinzessin und verwandelte sie in eine kleine Maus. Dann schickte die Hexe ihre Katze nach ihr, um die Maus zu fressen.
Entsetzt und verwirrt, rannte die kleine Maus hinaus in den Wald, um der drohenden Gefahr zu entkommen. Sie rannte so schnell und so weit wie ihre kleinen Pfoten sie nur tragen konnten. Als es schließlich Abend wurde und sie glaubte nicht mehr gejagt zu werden, rollte sie sich erschöpft unter einem großen Baum zusammen. Verängstigt und allein kämpfte die verzauberte Prinzessin gegen die Kälte des herbstlichen Wetters und den Hunger, der sie quälte. Schließlich schlief sie vor Erschöpfung ein.
Als der König von einem Förster, der die Verwandlung heimlich beobachtete, erfuhr was passiert war, lies er sofort nach der Hexe schicken und steckte sie in den Kerker. Er zwang sie alles zu erzählen, doch wo die Prinzessin war, das wusste sie nicht, denn sie war entkommen. Zwar hatte er nun die Hoffnung, dass sie noch lebte, doch seine Tochter blieb verschwunden.
In den nächsten Tagen irrte die kleine Maus verloren umher. Die Blätter fielen bereits von den Bäumen und es regnete immer wieder. Die Prinzessin hatte weder Schutz noch Nahrung. Auf der Suche nach Essen lief sie immer tiefer in den Wald, der ihr nun so viel größer vorkam als zuvor.
In der Nacht verbarg die kleine Maus sich so gut sie konnte an den Wurzeln von großen Bäumen, doch diese boten nur wenig Schutz vor der Kälte und dem Regen. Sie versuchte sich mit Laub zu bedecken, in der Hoffnung sich vor dem kalten Regen schützen zu können, doch der Wind blies die Blätter immer wieder fort und sie musste erneut Blätter herantragen, um sich zuzudecken.
Eines Nachts wurde die verzauberte Prinzessin von einem Sturm geweckt. Alles war dunkel, es regnete stark und das bedrohliche Wogen und Rascheln der großen Bäume im stürmischen Wind machte ihr große Angst. Sie sah sich unruhig um und fühlte sich allein und verloren inmitten des großen, dunklen Waldes.
Doch sie war nicht allein. Ein Eichhörnchen bemerkte die kleine Maus von hoch oben aus seinem Nest. Es sah sofort, dass sie keine gewöhnliche Maus war und erkannte ihre Not. Das Eichhörnchen kletterte hinab und bot der verzauberten Prinzessin an sie zu anderen Mäusen ihrer Art zu bringen, um dort Schutz zu finden.
Er führte sie zu einer Haselmaus-Familie in der Nähe. Ihr Nest war in den Wurzeln eines Strauches mit vielen, feinen verzweigten Ästen. Und obwohl die Äste so schmal und flexibel wirkten, bot der Strauch in seinen verzweigten, aber starken Wurzeln einen schützenden Unterschlupf. Die Haselmaus-Familie hatte ihr Nest mit den weichen Blättern des Strauches ausgelegt und reichlich Vorrat für den Winter hatten sie dank dessen Früchte auch. Diese Familie war warmherzig und fürsorglich. Sie nahmen die verlorene Haselmaus auf und erlaubten ihr zu bleiben. In dieser schützenden Gemeinschaft überlebte sie mit ihnen gemeinsam den harten Winter.
Währenddessen suchte der verzweifelte König unermüdlich nach seiner Tochter. Seitdem die Prinzessin verschwunden war, durchstreifte er Tag für Tag das Land, seine Sorge und Verzweiflung trieben ihn an, seine geliebte Tochter zu finden.
Der Winter verging, und mit dem Frühling keimte neues Leben auf. Die Vögel zwitscherten fröhlich und der Wald wurde mit jedem Tag grüner und lebendiger. An einem Frühlingsmorgen, als der König mal wieder auf der Suche war, machte er im Wald Rast an einem blühenden Haselstrauch. Weit war er bereits an diesem Morgen geritten und hatte nach seiner Tochter gesucht. Verzweifelt sprach der Vater zu sich selbst: „Ach, du meine liebste Tochter! Wo bist du nur? Ich würde mein Leben geben, wenn ich dich nur wohlauf finden könnte.“ Und er vergrub sein weinendes Gesicht in seinen Händen.
Die Prinzessin, die in ihrer Haselmaus-Form den Winter überlebt hatte, erkannte die Stimme ihres Vaters sofort. Als sie aus ihrem Nest herauskam, um zu sehen, ob er es wirklich war, konnte sie ihren Augen kaum glauben. Mit einem Sprung lief sie zu ihm und setzte sich auf sein Bein. Verwundert schaute der König die kleine Haselmaus an und erkannte die haselnuss-braunen Augen seiner Tochter.
Er war überwältigt vor Glück, lachte und weite zugleich und küsste die kleine Haselmaus ganz vorsichtig auf den Kopf. In diesem Moment tropfte eine Freudenträne des Königs auf die kleine Haselmaus und der Fluch wurde gebrochen. Die Prinzessin verwandelte sich zurück in ihre menschliche Gestalt und Vater und Tochter lagen sich überglücklich in den Armen.
Als sie sich gemeinsam auf den Heimweg machten hatte die Prinzessin viel zu erzählen – von den ersten Tagen als sie fast verhungerte, von dem gutmütigen Eichhörnchen, das sie fand, und von der lieben Haselmaus-Familie, die sie in ihrem Nest unter einem Haselstrauch aufnahmen. Ohne die Hilfe dieser großzügigen Tiere hätte sie den Winter sicherlich nicht überlebt.
Voller Freude und Erleichterung kehrten Vater und Tochter, wiedervereint, in ihr Königreich zurück. Das Land feierte die Rückkehr der wunderschönen Prinzessin mit den haselnuss-braunen Augen, die durch die Güte einer Haselmaus-Familie überlebt hatte. Der König war so dankbar über die Großherzigkeit der Tiere in diesem Wald, dass er diesen unter besonderen Schutz stellte.
Viel Zeit ist seither vergangen, doch die Prinzessin hat die Güte der lieben Tiere nie vergessen. Sie besucht bei jedem ihrer geliebten Spaziergänge den schützenden Haselstrauch mit der Haselmaus-Familie und dem Eichhörnchen, die ihr Hilfe und Obdach boten als sie in größter Not war. Sie erfreute sich an dem lebendigen Treiben der kleinen Tiere und jeden Sonntag gab es ein frisches Stück Brot aus den Vorräten des Schlosses, damit keiner von ihnen über den Winter Hunger leiden muss.


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